An einem Ort, wo sehr viele Menschen vorbeikamen, richtete er ein Gasthaus ein mit allem, was den Menschen guttut und Freude macht: mit gemütlichen wärmenden Öfen, Brennmaterial, Beleuchtung; er füllte Vorratsräume mit jeder Art von Lebensmitteln, Gemüse und allen möglichen Erfrischungen; er stellte Betten auf, füllte die Schränke mit vielen unterschiedlichen Kleidungsstücken und Schuhen – all das in einem so reichen Maß, dass es für eine große Menge von Menschen ausreichen könnte.
Nachdem alles fertig war, schrieb er eine sehr eindeutige Gebrauchsanweisung für dieses Gasthaus. Darin stand unmissverständlich, wie all die Dinge des Gasthauses benutzt werden sollten: jeder, der in das Gasthaus kam, sollte so lange bleiben dürfen, wie es ihm guttat; durfte nach Herzenslust essen und trinken und von Allem, was im Gasthaus war, nehmen.
Nur eine Bedingung war dabei: Keiner sollte mehr nehmen, als er im Augenblick brauchte; die Gäste sollten sich gegenseitig helfen und das Gasthaus so verlassen, wie sie es bei ihrer Ankunft vorgefunden hatten.
Diese Anweisungen nagelte der Mann deutlich sichtbar und für Alle lesbar an die Tür des Gasthauses; dann zog er sich selbst zurück.
Aber wie es so geht: Menschen kamen ins Gasthaus, lasen aber die Anweisungen an der Tür nicht. Sie fingen an, alles zu benutzen, ohne an die Mitmenschen zu denken. Sie versuchten, möglichst viel von den Vorräten für sich selbst zu sammeln und einzustecken, obwohl sie die meisten Dinge gar nicht nötig hatten. Jeder dachte nur an sich selbst.
Sie begannen, sich wegen der Güter im Haus zu streiten. Sie zerstörten sogar die Vorräte in der Absicht, dass die Anderen sie nicht bekommen sollten. So zerstörten sie nach und nach alles, was im Gasthaus war.
Sie fingen an zu leiden: sie froren, sie hatten Hunger, sie litten unter dem Unrecht, das sie sich gegenseitig zufügten. Sie begannen, über den Gastgeber zu schimpfen: er hätte zu wenig Vorräte in das Gasthaus gegeben; er hätte Aufseher einsetzen müssen; er hätte allem Gesindel und allen schlechten Leuten erlaubt, ins Gasthaus zu kommen; das Gasthaus habe keinen Herrn und sei ein Unglücksort geworden.
Am Ende dieser Erzählung schreibt Leo Tolstoi: So wie die Menschen im Gasthaus, so verhalten sich auch die Menschen in der Welt. Sie lesen nicht die Gebrauchsanweisungen, die Gott ihnen ins Herz geschrieben hat und die er auch aufgeschrieben hat in den großen Lehren weiser Menschen. Sie leben nach ihrem eigenen Willen, sie ruinieren ihr eigenes Leben und das Leben der Anderen.
Sie machen sich gegenseitig dafür verantwortlich, sie machen Gott dafür verantwortlich – nur nicht sich selbst. Würden die Menschen doch begreifen, dass ihr Wohlergehen von ihnen selbst abhängt! Sie müssen dazu nur dem Willen ihres großen Wohltäters gehorchen. Dann können sie sich ihres Glücks erfreuen, das größer ist, als Alles, was sie sich vorstellen können.
(Quelle: Die Newsletter-Redaktion dankt recht herzlich Frau und Herrn Knors sowie Sandra Wilms für diese Geschichte.)
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