Digitale Karte hilft Blinden beim Bestellen
Mülheimer Firma senkt mit neuer Technik Barrieren im Restaurant. Damit das klappt, haben Blinde bei der Entwicklung geholfen. Was für Sehende eine Selbstverständlichkeit ist, stellt für blinde Menschen mitunter eine enorme Hürde
dar: Anhand der Speisekarte im Restaurant auszuwählen, was man bestellen möchte. „Alleine essen
gehen, können wir eigentlich nicht, denn wir sind immer auf jemanden angewiesen, der uns die Speisekarte vorliest. Zur Not müssen wir die Kellner fragen, aber das ist alles umständlich“, schildert Maria St. Mont. Sie ist Vorsitzende des Mülheimer Blinden- und Sehbehindertenvereins und setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Barrieren in Mülheim für sehbehinderte Menschen abgebaut werden, sie ihr Leben selbstbestimmter führen können.
Ein weiterer Schritt dazu ist nun erfolgt: Im Restaurant Ronja gibt es jetzt eine barrierefreie Speisekarte, die auf der sogenannten Near Field Communication (NFC) Technik basiert. Diese Technik erlaubt es, per Smartphone einen hauchdünnen Chip auszulesen, wie er ansonsten etwa auch in Bankkarten verbaut ist. Ähnlich wie bei einem QR-Code bewegt man das Handy über das Objekt, in dem der NFC-Chip sitzt, und erhält so die dahinterliegenden Informationen.Ein Vorteil für Blinde könne bei dieser Technik etwa sein, dass man das Telefon nicht gezielt auf eine Stelle fokussieren müsse, wie beim QR-Code, den Sehbehinderte nicht erkennen können, sondern eher größer-flächig scannen kann und trotzdem den entscheidenden Bereich trifft, hinter dem die
Informationen liegen, erklärt Tarek Moussa, Geschäftsführer der Mülheimer NFC21 GmbH, die auf diese Technik spezialisiert ist.
Blinde decken Schwachstellen auf
Wo aber genau die Hürden für blinde Menschen liegen, wenn sie im Restaurant etwas von der Speisekarte bestellen wollen, konnte sich auch das interdisziplinäre Team, das bei NFC21 die digitale Speisekarte entwickeln wollte, nicht bis ins Detail vorstellen. Deshalb nahm die Firma Kontakt zum Mülheimer Blinden- und Sehbehindertenverein auf. Einige der Vereinsmitglieder prüften daraufhin die neue Entwicklung und deckten Schwachstellen der digitalen Speisekarte auf.
„Mancher kann etwa noch schemenhaft sehen, benötigt aber andere Farben oder Kontraste in der Speisekarte, damit es für ihn deutlicher wird“, nennt Projektleiterin Annika Johannimloh ein Beispiel. Auch die Reihenfolge von Speisen und ihren Preisen sowie Inhaltsstoffen und möglichen Allergenen, die nach dem Auslesen über die NFC-Technik über einen sogenannte Screenreader – eine Software, die das Geschrieben vorliest – ausgegeben werden, sei wichtig, habe sich in den gemeinsamen Workshop von NFC21 und den Mitgliedern des Blindenvereins herausgestellt.
„Denn wenn das System zuerst alle Gerichte nacheinander und anschließend alle Preise von oben nach unten vorliest, kann sich keiner merken, was das sechste Gericht kostet und welche Inhaltsstoffe es enthält.“ Filterfunktionen – etwa dazu, ob nur das Angebot an rein veganen Gerichten genannt werden soll – runden die Lösung, die für die barrierefreie Speisekarte entwickelt wurde, ab, ist Maria St. Mont begeistert. „Uns war es wichtig, kein Produkt für, sondern mit den Menschen zu entwickeln, die es später
nutzen – nur so entsteht echte Barrierefreiheit“, betont NFC21-Geschäftsführer Tarek Moussa.
Hoffen auf weitere Partner
Das Restaurant Ronja in Mülheim ist das erste Partner-Restaurant, das die neue NFC-basierte Speisekarte bereits einsetzt, so Moussa. Dabei hatte das Ronja schon eher daran gedacht, seine Speisekarte barrierefrei zu gestalten, berichtet Inhaber Sinan Bozkurt. Und auch Maria St. Mont erinnert sich an erste Ansätze: „Das Ronja hatte dazu bereits Kontakt zu uns aufgenommen und wollte eine Speisekarte in
Punktschrift und Großdruck machen.“
Dass sie so aktiv einbezogen wurden und mitwirken konnten an der barrierefreien Speisekarte, ihre Verbesserungsvorschläge dabei direkt umgesetzt wurden, sei „richtig toll“ gewesen, freut sich Maria St. Mont. Nun hoffe sie, dass „sich das rumspricht und sich noch andere Restaurants dranhängen, denn das
ist wirklich nachahmenswert“.
Letztlich wird sich jedes Restaurant mit solchen Optionen beschäftigen müssen, denn kürzlich ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft getreten, das zum Ziel hat, die Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen am Wirtschaftsleben zu gewährleisten und die Barrierefreiheit von Produkten und
Dienstleistungen zu verbessern. Nicht nur für Maria St. Mont ihre rund 80 Vereinskollegen ein Gewinn.
Eine nächste Zusammenarbeit zwischen NFC21 und Blindenverein hat sich quasi nebenbei ergeben, denn
die Vorsitzende erzählt: „Für meinen Blindenhund habe ich mir das Dogtap von NFC21, eine Art digitale
Hundemarke, angeschafft, aber dann festgestellt, dass auch das nicht komplett barrierefrei ist.“
(Redakteurin Katja Bauer)
Wer auch ein solches Projekt starten möchte, kann sich gerne an die Firma NFC21 wenden.
Den Link findet nachfolgend.
NFC21 im Web:
Web: www.nfc21.de <http://www.nfc21.de/>
Shop: www.nfc-tag-shop.de <http://www.nfc-tag-shop.de/>
Anleitungen: www.nfc-tag-shop.de/de/howto <http://www.nfc-tag-shop.de/de/howto
https://www.postbox-inc.com/?utm_source=email&utm_medium=siglink&utm_campaign=reach
(Quelle E-Mail des BSV Mühlheim)
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